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XVI. Interdisziplinärer Salon am 26. Oktober 2010 im Q110 - Deutsche Bank der Zukunft  Berlin
mit freundlicher Unterstützung der Identity Foundation

 

IDENTITÄT

 

Die Diskussionsrunde

Hinnerk Polenski
Philosoph, Unternehmensberater, Zen-Meister

Sven Gábor Jánszky
Leiter des 2b AHEAD ThinkTanks

Prof. Dr. Thomas Macho 
Direktor des Instituts für Kulturwissenschaft, HU Berlin

Jonas Loh & Steffen Fiedler
Autoren des Projektes: IDENTITÄT - The »Gestalt« of digital identity

Moderation
Tiemo Ehmke, FORUM46,
Interdisziplinäres Forum für Europa e.V.

 

Leitfragen

Welche identitätsstiftenden Kulturtechniken kennen wir? Wie konstituiert sich das Ich? Welche Identitäten und Leitbilder können Unternehmen und Institutionen entwickeln? Warum wird Identität zur Managementaufgabe? Identität statt Erlebnis? Zuhören statt Ansagen? Anerkennung statt Aufmerksamkeit? Und was machen wir hier eigentlich?

 


DER KOMPASS

Von Wolf Lotter


Veränderung braucht Identität. Und die kommt nicht von allein.

Leser im besten Alter erinnern sich gewiss noch an einen Evergreen der deutschen Fernsehunterhaltung. Er trug den unauffälligen Titel "Was bin ich?" und wurde von der ARD-Legende Robert Lembke moderiert.

Lembke, Urgestein des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, saß bis ins hohe Alter von 75 Jahren mit seiner Rate-Runde zusammen. Deren Aufgabe war es, einen anonymen Gast nach seinem Beruf auszufragen, und zwar, wie sich das mit persönlichen Dingen gehört, so subtil wie möglich. Eine typische Frage lautete beispielsweise: "Sind Sie in einem künstlerischen Beruf tätig?" Stimmte die Richtung, sagte der Gast trocken Ja, falls nicht, nur knapp Nein. Für jedes Nein bekam der Gast eine Münze in ein Sparschweinchen, das liebevoll "Schweinderl" genannt wurde. In der Regel kam für damalige Verhältnisse einiges zusammen. "Was bin ich?" war eine ebenso erfolgreiche wie überschaubare Sendung. Es gab nie größere Überraschungen, keine nennenswerten Show-Einlagen und auch sonst wenig Tamtam. Und nie glitt die Fragestellung ins Faustische ab: Welchen Charakter und welche Persönlichkeit die Befragten hatten, ob das Typische des Gastes tatsächlich zu fassen war - all das war bei "Was bin ich?" nicht von Interesse. Schöne Zeiten waren das, geordnete und klare - spätestens beim zehnten Nein ging die Runde zu Ende, und der Gast offenbarte seinen Beruf. Oft aber errieten die "Ratefüchse" seine Tätigkeit bereits nach ein paar Fragen. Dann applaudierten die Zuschauer im Studio, und niemand stellte sich mehr die Frage, wer da "eigentlich" auf der Bühne saß.

Der Beruf macht den Menschen. Das ist seine Identität. Stellen wir uns heute, in Zeiten wie diesen, mal vor, im Fernsehen würde die Frage "Was bin ich?" neuerlich gestellt. Wahrscheinlich sähen wir einen Menschen, der sich die Frage "Was bin ich?" ständig selbst stellt, aber keine Antwort darauf geben kann, die halbwegs passt. Münze für Münze verschwände im Schweinchen.

Doch die Sau gibt keine Antwort. Denn in Zeiten der globalen Desorientierung, der ewigen Frage, wohin die Reise geht und mit wem, was morgen passiert oder unterlassen wird, ist wohl eher zu fragen: Wozu ist es nütze, zu wissen, wer und was man ist?

Früher hatten Menschen so etwas wie einen Charakter und gute wie schlechte Eigenschaften. Die Summe dieser typischen Merkmale machte aus einer Person eine Persönlichkeit, unverwechselbar und damit auch für andere einzuordnen - wenn man will, kann man das auch kalkulierbar nennen. Der ganze Zauber einer klaren Identität besteht letztlich darin, dass sie für andere das Leben leichter macht. Wo eine Persönlichkeit ist, ist immer auch ein Mensch mit Kontur am Werk, ein Typ oder, wie der Berliner ganz richtig sagt, eine Marke.

Dies dient der besseren Unterscheidbarkeit.

Man weiß, woran man ist - und das spart Geld, Zeit und Nerven. Vor allen Dingen aber vermittelt die klare Identität Sicherheit in dem, was man tut. Ein eingebauter Kompass sorgt dafür, dass die Richtung stimmt.

Doch ein Kompass nützt gar nichts, wenn er nicht richtig justiert oder, wie der Fachbegriff dazu lautet, eingenordet wird. Das Einnorden ist ein Verfahren, bei dem es darum geht, die Nadel des Kompasses auf einen festen Punkt - bei Magnetkompassen vorzugsweise den magnetischen Nordpol - auszurichten. Dieser Kern bestimmt alle anderen Richtungen. Nur wie soll das gehen in Zeiten, in denen es nicht mehr ein Ziel gibt, sondern viele Ziele? In denen es, anders als in der Zeit von "Was bin ich?", eine Vielzahl an Fra gen gibt, die jede für sich einer Antwort bedürfen?

Heute gibt es "Wer wird Millionär?". Bei Robert Lembke war der Weg zur Lösung noch durch klare Ja- und Nein-Antworten markiert. Da es "nur" darum ging, den Beruf des Kandidaten zu erraten, konnte man durch das Abfragen von Eigenschaften zu einer klaren Antwort kommen. "Wer wird Millionär?" bedient sich eines anderen Auswahlmodells, dem des Multiple Choice. Mehrere Antworten stehen zur Verfügung. Finde die richtige heraus! ...

aus: brand eins, 06/09 - Schwerpunkt Identifikation. Den vollständigen Artikel lesen Sie hier: http://www.brandeins.de/archiv/magazin/was-wirklich-zaehlt/artikel/der-kompass.html

 

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