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Systemik – oder Zusammenhänge sehen

Von Heinz von Foerster und Christiane Floyd

In diesem Beitrag wollen wir auf eine Entwicklung aufmerksam machen, die neue
Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit sich bringt. Es handelt sich um ein verändertes Verständnis von gemeinsamem Tun und, damit verbunden, der Beziehung der Menschen untereinander. Die Veränderung betrifft unsere Sichtweise unserer eigenen Rolle. Sie bedeutet einen Übergang von Überspezialisierung zur Transdisziplinarität, von Fixierung auf gegebene zur Öffnung auf neu sich ergebende Aufgaben, von Unterstellung fester Entscheidungsgrundlagen zur Anerkennung prinzipieller Unwissbarkeit.

Heinz: Lass mich Dir als erstes einen kleinen Vortrag halten. Ich bin schon lange nervös über systemisches Denken. ‚Systemisch‘ wird als Eigenschaftswort gebraucht und in aller Munde geführt. Das geht so weit, dass – wie mir ein Freund berichtet – Papiere im Reviewing-Verfahren mit dem Hinweis ‚Not sufficiently systemic‘ zurückgewiesen werden. Ich sehe das anders. ‚Systemisch‘ muss zum Hauptwort werden.

Für mich gibt es zwei grundsätzliche Modi: Wissenschaft (science) und Systemik (systemics). Gehen wir zum Beispiel vom Problem des Managements aus, so sehen wir, dass ein Manager in seinem Betrieb – solange er nicht außenstehende Management-Berater heranzieht – selbst ein Teil des Betriebes ist, den er berät. Das heißt, was er den anderen sagt, dass sie tun sollen, trifft auf ihn selbst zu, oder: Wenn er den Betrieb organisiert, organisiert er sich selbst. Das System wird zu einem selbstorganisierenden System.

Was sagt die Wissenschaft zu solchen zirkulären, selbstorganisierenden Strukturen? Sie lehnt sie ab. Warum? Es sind die Wurzeln der circuli vitiosi, der Paradoxa, der Störenfried der gesitteten, wissenschaftlichen Aussagen, die entweder wahr oder falsch sein müssen. Aber nicht wahr, wenn man sie als falsch nimmt. Oder falsch, wenn man sie als wahrnimmt. Was macht man mit einem Menschen, der von sich sagt: ‚Ich bin ein Lügner‘? Glaubt man ihm, dann hat er gelogen. Hat er gelogen, so hat er doch die Wahrheit gesprochen.

So etwas kann die Wissenschaft nicht brauchen. Das hat Helmholtz bewogen, auf seinen berühmten locus oberservandi zu steigen, von dem aus er unbeeinflusst über das Treiben der Welt berichten kann. Man nennt das Objektivität: Die Eigenschaften des Beobachters sollen nicht in die Beschreibung seiner Beobachtungen eingehen. Was dabei herauskommen soll, ist heute noch nicht klar. Wenn die Eigenschaften des Beobachters und Beschreibenden nicht erscheinen können, was bleibt denn dann noch übrig? Ist Objektivität dann Unsinn? Soll man sich der Subjektivität zuwenden? Aber man weiß ja, die Verneinung einer unsinnigen Aussage ist ebenso unsinnig. Also, was tun?

Was ist das Geschäft der Wissenschaft? Im Deutschen hat das Wort Wissenschaft eine sehr allgemeine Bedeutung. Man könnte sagen, Wissenschaft ist eine Tätigkeit, die Wissen schafft. Und das kann ja auf viele verschiedene Weisen vor sich gehen. Aber das deutsche Wort Wissenschaft wird doch zunehmend in demselben Sinne gebraucht wie das englische. Dort und in mehreren anderen europäischen Sprachen erscheint Wissenschaft viel enger durch die Herkunft aus dem lateinischen scientia definiert. Die indoeuropäische Wurzel für dieses Wort ist SKEI und bedeutet trennen oder unterscheiden. Das ist die Strategie des Reduktionismus. Ist ein Ganzes zu schwierig zu verstehen, zerstückelt man es in kleinere Teile. Sind auch die zu kompliziert, teilt man weiter, bis man bei etwas ankommt, das man zu verstehen glaubt. Das Attraktive an dieser Methode ist, dass sie immer erfolgreich ist. Aber der Preis, den man für diesen Erfolg zahlen muss, sind die verloren gegangenen Verbindungen, welche die Teile zum Ganzen machen. Es ist klar, dass diese Methode zum Verständnis jeglicher Vorgänge der Zusammenarbeit oder Kommunikation in Gesellschaft, Betrieben, Gemeinschaften etc. völlig unbrauchbar ist, denn sie zerstört genau das, was man verstehen will. Wiederum: Was tun?

Sehen wir uns doch die Komplemente der semantischen Stützen der so genannten scientific method an. Da entspricht Trennen dem Verbinden, Teilen dem Vereinen und Unterscheiden dem Gleichsetzen. Schauen wir uns wieder die sprachliche Wurzel dieser Begriffe des Vereinens an, kommen wir auf das griechische HEN, das Wort für Eins, das dann zu SYN wird, wie in Sinfonie, Synthese und System. Ich möchte diese Haltung des Zusammensehens mit Systemik bezeichnen, einem Wort, das geformt ist wie Mathematik oder Physik oder andere Bereiche des Schauens.

Kaum hatte ich mir diese Unterscheidungen schön zurecht gelegt, da tauchte in mir der Verdacht auf, als hätte ich das alles schon einmal gehört. Nach einigem Nachstöbern stieß ich auf die ersten Worte in Arthur Schopenhauers Doktorarbeit ‚Die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde‘1. Die Einleitung, §.1 ‚Die Methode‘ beginnt mit „Platon der göttliche und der erstaunliche Kant vereinigen ihre nachdrucksvollen Stimmen in der Anempfehlung einer Regel zur Methode alles Philosophierens, ja alles Wissens überhaupt. Man soll, sagen sie, zwei Gesetzen, dem der Homogenität und dem der Specification, auf gleiche Weise, nicht aber
dem einen zum Nachtheil des anderen, Genüge leisten.“ Das Gesetz der Homogenität soll uns, wie bei der Systemik „auf die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen der Dinge“ aufmerksam machen, und das der Spezifikation soll, wie bei der scientific method, verhüten, dass Unterscheidungen „in ein Gemisch zusammenfließen“.

Er unterscheidet also zwei Formen des Denkens: das analytische und das synthetische. Darum geht es. Es ist wichtig, das Zusammenspiel, die Komplementarität von Wissenschaft und Systemik zu verstehen. Bei Wissenschaft geht es um Kausalität. Systemik ist dort gefordert, wo Relationen im Vordergrund stehen.

Christiane: Was sind die historischen Ursprünge der Systemik?

Heinz: Hippokrates, etwa 400 vor Christus fällt mir als ein früher Zeuge ganzheitlichen Sehens ein, der wohl verstand, einen gebrochenen Arm zu heilen, aber sich fragte, ob es nicht die schlechten Augen des Patienten seien, die ihn zum Stolpern und dann zum Stürzen brachten. Langsam beginnt man heute wieder so zu denken.

Die Idee, die in der frühen Renaissance sehr lebendig war, nämlich die Idee der kosmischen Einheit alles Geschehens, kann auf eine seltsame Sammlung philosophischer und okkulter Schriften. des dritten nachchristlichen Jahrhunderts zurückgeführt werden. Sie hatte unter dem Namen ‚Corpus hermeticus‘ einen deutlichen Einfluss auf Denker des 12., 13. und 14. Jahrhunderts. Man höre Albertus Magnus aus dem 12. Jahrhundert: „Es ist nicht so, dass Teile des Universums andere Teile verursachen, sich so oder so zu verhalten. Es ist die Konfiguration aller Dinge im Universum, die es mit sich bringt, dass wieder andere Konfigurationen entstehen“. Magie bezeichnet den Bereich der gemeinsamen Wurzel aller Wissenschaften, ob sie sich mit Sternen, Steinen, Tieren oder Pflanzen beschäftigen. Oder man denke an den Erfinder der Homöopathie, Theophrastus Philippus Aureolus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, etwa um 1500 anno domini. Der Leitsatz „Similia similibus curantur“, also „Ähnliche heilen Ähnliches“, zeigt die Vereinungsidee gegenüber der Trennung.

Näher zu unserer Zeit sind die Gestaltpsychologen wie Christian von Ehrenfeld und später Wertheimer und Köhler zu nennen, die die Invarianz einer visuellen Relationsstruktur, die Gestalt, als Basis für ihre Theorie der Wahrnehmung erhoben. Von einer ganz anderen Richtung her kam in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Vertiefung des ganzheitlichen Denkens durch Ludwig von Bertalanffy. Er sah die Möglichkeit, die außerordentlich wirksamen und hoch entwickelten Formalismen der Thermodynamik durch eine Erweiterung auch für lebendige Systeme verwendbar zu machen. Ursprünglich sind die Gesetze der Wärmelehre für energetisch geschlossene Systeme entwickelt worden, das sind Systeme, die in eine Energie-undurchlässige Hülle eingeschlossen sind. Wollte man eine Katze in eine solche Hülle sperren, hätte man in Kürze keine Katze mehr. Um die für geschlossene Systeme entwickelten Formalismen auch für Systeme, die nur durch einen ständigen Energieaustausch mit der Umwelt existieren können, wie Katzen oder betriebswirtschaftliche Organisationen, brauchbar zu machen, erweiterte er die theoretischen Grundlagen der Thermodynamik, so dass sie auch für energetisch offene Systeme verwendbar wurden. Er nannte diese Entwicklung eine allgemeine Systemtheorie. Obwohl man heute von Mängeln seiner Theorie sprechen könnte, so hat er doch damals nicht nur die Grundlagen für das, was
man heute nicht-linerare Dynamik nennt, mit ihren interessanten, neuen Begriffen wie Fließgleichgewicht, Eigenwerte, Chaos und andere gelegt. Er hat damit auch das ganze Vokabular geschaffen, mit dem wir heute über Ganzheitlichkeiten sprechen. Aber der uns nächste, vielleicht größte Magus unserer Zeit ist sicherlich Gregory Bateson.

Christiane: Bevor wir zu ihm kommen, sag bitte zuerst etwas über die logischen,
philosophischen Grundlagen dieses Denkens.

Heinz: Was waren die Anstöße im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts, die uns bewogen, unseren Blick statt auf die Teile jetzt auf deren Zusammenhalt zu wenden? Wieso dieser plötzliche Aufbruch in einen Denkstil, in dem SKEI – trennen, teilen, unterscheiden – gegenüber HEN – verbinden, vereinen, gleichsetzen – in den Hintergrund gedrängt wurde? Ich sehe das als eine Folge der Einsicht, dass man sich auf das einzige Verbindungsglied, das zwischen zwei Beobachtungen noch übrig bleibt, nämlich das der Kausalität, nicht länger verlassen konnte.

Wie kam das zustande? Bei der Kausalität, einem triadischen Argument, braucht man als erstes ein Gesetz (Naturgesetz, Transformationsregel, Regel ...), das die beiden anderen Elemente, nämlich Ursache und Wirkung miteinander verbindet. Ein Beispiel: Ursache: Ich werfe einen Ball hoch. Naturgesetz: Schwere Körper ziehen einander an. Wirkung: Der Ball fällt zur Erde.

Christiane: Kausalität hängt eng mit der Möglichkeit wissenschaftlicher Vorhersagbarkeit zusammen. Wo findet sie ihre Grenzen?

Heinz: Schauen wir uns ein anderes Beispiel für Kausalität an: einen Anagrammer, eine Maschine, die Anagramme erzeugt, also nach einer gegebenen Regel Buchstaben A, B, C, ... in andere übersetzt: C, A, B, ... Wie findet man solche Gesetze, wenn sie einem noch nicht gegeben sind? Das ist das analytische Problem oder, im Maschinenjargon, das Maschinen-Identifikationsproblem. Wenn man es mit trivialen Systemen zu tun hat, bei denen die Beziehung der Ursache zur Wirkung – des Input zum Output, des Reizes zur Reaktion etc. – stets die gleiche bleibt, ist die Lösung des analytischen Problems oder des Maschinen-Identifikationsproblems trivial. Ein paar Versuche, und man kann das Gesetz ableiten.

Die Situation würde doch wesentlich anders, wenn es sich um nicht-triviale Systeme handelt. Was sind das für Systeme? Das sind Systeme, bei denen sich nach jedem Durchgang die Regeln der Transformation, also die Regeln, welche die Ursache mit der Wirkung, den Reiz mit der Reaktion verbinden, ändern.

Nehmen wir wieder das kleine Beispiel unseres Anagrammers her. Angenommen wir hätten so einen Apparat, der nur zwischen zwei verschiedenen Permutationen durch eine Regel zweiter Ordnung operiert und hin-und herspringt. Es lässt sich nach einer einfachen Formel zeigen, dass es dann ungefähr 65.000 verschiedene Maschinen zu untersuchen gibt, um herauszukriegen, welche Maschine, welches Anagramm hier vor uns steht. Man könnte ja immer noch 65.000 verschiedene Maschinen mit sehr schnellen Rechnern untersuchen, aber die Situation wird sofort noch viel schwieriger, wenn wir nicht wissen, dass es nur zwei Anagramm-Regeln sind, die dieser Anagrammer miteinander vertauschen kann. Die Anzahl der Maschinen, die wir dann untersuchen müssen, übersteigt weit alle astronomischen Größen.

Hätte man unmittelbar nach dem Urknall einen raschen Computer, der alle Mikrosekunden je eines von unseren Anagrammern ausrechnet, angestellt, so hätte er heute das Identifikationsproblem dieses Systems noch nicht einmal angekratzt. Im Computerjargon spricht man in so einem Fall von einem das ist ‚transcomputationalen‘ Problem, oder auf Deutsch: Man kann es nicht ausrechnen, es ist nicht möglich, lasst das Problem sein! Man könnte natürlich sagen, dass, wenn man genügend Geduld aufbrächte, oder wenn man Computer bauen kann, die schnell genug rechnen, man doch einmal das analytische Problem für nichttriviale Systeme lösen könnte. Leider ist diese Hoffnung auch vergeblich. Es lässt sich zeigen, dass der innere Aufbau von Systemen so konstruiert sein kann, dass es prinzipiell unmöglich ist, durch eine endliche Anzahl von Experimenten den Code dieser Systeme zu brechen.


Die Einsicht, diese Unmöglichkeit durch die Gesetze analytisch zu ermitteln, lässt die ganze Idee, auf die Kausalität sich bezieht, zusammen brechen. Denn, wenn es nicht möglich ist, das Gesetz zu etablieren, um eine Ursache mit einer Wirkung oder einen Reiz mit einer Reaktion oder einen Input mit einem Output zu verbinden, so kann die Frage an die Kausalität nicht beantwortet werden. Diese Einsicht bringt völlig andere Perspektiven in unsere Sicht, die es doch möglich macht, mit solchen Systemen fertig zu werden.

Christiane: Die Kausalität ist aber doch direkt in der Logik verankert. Können wir uns auch darauf nicht mehr verlassen?

Heinz: Interessant ist, dass der Verdacht, dass das Prinzip der Kausalität sich nicht universell anwenden lässt, keineswegs neu ist. Ich kann verweisen auf Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus2, in dem er in mehreren Propositionen die Unmöglichkeit, sich auf Kausalität verlassen zu können, gezeigt hat. Die Struktur seines Arguments baut sich auf die Idee des Elementarsatzes auf. Der einfachste Satz, der Elementarsatz, behauptet das Bestehen eines Sachverhaltes. Aus einem Elementarsatz lässt sich kein anderer folgern. Und jetzt eine
Konsequenz dieser Überlegungen finde man in seinem Punkt 5.135. „Auf keine Weise kann aus dem Bestehen irgendeiner Sachlage auf das Bestehen einer von ihr gänzlich verschiedenen Sachlage geschlossen werden“. Die nächste Proposition 5.136 sagt: „Einen Kausalnexus, der einen solchen Schluss rechtfertigt, gibt es nicht“. Die nächste Proposition 5.1361 lautet: „Die Ereignisse der Zukunft können wir nicht aus den gegenwärtigen erschließen. Der Glaube an den Kausalnexus ist der Aberglaube“.

Schon Aristoteles war es klar, dass die Form des Kausalgesetzes identisch ist mit der Form des deduktiven Syllogismus, wo der Obersatz (‚alle Menschen sind sterblich‘) dem Transformationsgesetz, der Untersatz (‚Sokrates ist ein Mensch‘) der Ursache, und die Schlussfolgerung (‚Sokrates ist sterblich‘) der Wirkung entspricht.

Und Ludwig Wittgensteins These beeinträchtigt die Schlussweisen der Logik keineswegs. Diese Einsichten zeigen nur, dass sprachliche Formen, die unsere Erlebnisse und Handlungen beschreiben sollen, nicht notwendigerweise auf Formen der logischen Syllogismen abgebildet werden können. Nicht die Gültigkeit des Syllogismus steht in Frage, die Formulierung einer Beobachtung ‚schwere Körper ziehen sich an‘, ‚alle Menschen sind sterblich‘, etc. zum Obersatz ist mit Misstrauen zu betrachten. Wie wichtige Kritiker zum Obersatz ‚alle Menschen sind sterblich‘ schon bemerkten, kann der Satz nur ausgesprochen werden, wenn alle Menschen schon gestorben sind. Aber wer kann diesen Satz dann aussprechen?

Christiane: Ist die Brüchigkeit der Kausalität der einzige Hinweis darauf, dass logische Formen nicht ohne weiteres auf menschliches Handeln und Geschehen angewendet werden können?

Heinz: Ein anderes Zeichen, dass dies zu Irrtümern führt, ist das Beispiel der Werte-Heterarchie. Gibt man einer Versuchsperson die Wahl zwischen zwei Dingen, etwa einem Apfel (A) und einer Birne (B), so möge sie den Apfel wählen (A größer als B). Gibt man ihr die Wahl zwischen einer Birne und einer Zitrone (C), möge sie die Birne wählen (B größer als C). Gibt man ihr nun die Wahl zwischen Apfel und Zitrone, wird häufig (oh Schreck!) die Zitrone dem Apfel vorgezogen. Jetzt könnte man ein Bild malen, das in einem Kreis die drei Buchstaben A, B, C anordnet und die Größer-Zeichen zwischen A und B, zwischen B und C, und zwischen C und A zieht. Das heißt, keine der Früchte kann den Anspruch erheben, die beste zu sein, und Logiker glauben jetzt zeigen zu können, wie dumm Menschen sind. Das Urteil ‚größer‘ ist transitiv, d. h. wenn A größer als B ist und B größer als C, dann ist auch A größer als C.


Warren McCulloch und später Gregory Bateson haben jedoch umgekehrt argumentiert. Sie sagten, dass dieses Beispiel zeigt, wie dumm die Logiker sind, dass sie nicht die Logik entwickelt haben, die menschlichem Denken und Handeln zugrunde liegt. In einer – wie ich finde – außerordentlich wichtigen Veröffentlichung im Jahr 1945 mit dem Titel ‚A Heterarchy of Values Determined by the Topology of Nervous Nets‘3, also auf deutsch ‚Eine Werte-Heterarchie, bestimmt durch die Topologie des Nervennetzes‘ zeigt McCulloch, dass es die Organisation des Nervensystems ist, die diese Wertanomalie errechnet. Sie ist zirkulär, ja sogar doppelt zirkulär. Zuerst zeigt er, dass die Reflexbogen, die von Reiz zu Reflex wieder zu Reiz zurückführen, aber hemmende Fasern von Bogen zu Bogen immer nur einen der Reflexbogen aktiv lassen. Das heißt, nicht wie in einer Hierarchie (hieros = das Heilige; archein = herrschen), wo Kommandos von einer Zentralstelle die entsprechenden Effektoren aktivieren, wird hier die Entscheidung, wie zu handeln ist, gefällt, sondern sie wird zwischen zwei Nachbarn, dem jeweils ‚Anderen‘ (heteros) ausgehandelt. Daher wählte McCulloch das Wort Heterarchie für solch eine Organisationsform In einer populären Version nannte er die Funktionsweise eines solchen Systems „das Prinzip der Redundanz der potentiellen
Kommandos bei dem Information die Autorität konstituiert“.

Als Beispiel für den Erfolg dieser heterarchischen Organisation gab es die berühmte Seeschlacht im Zweiten Weltkrieg bei den Midway Islands, in der das amerikanische Kommandoschiff als erstes von den Japanern versenkt wurde. Die verbliebenen einzelnen amerikanischen Schiffe übernahmen jeweils das Kommando über die gesamte Flotte, und als die Nacht fiel, war ein Großteil der japanischen Schiffe zerstört. Übersetzt in die Welt der Betriebsorganisationen sagt dieses Prinzip ‚In einem sich selbst organisierenden Wirtschaftsbetrieb ist jeder Mitarbeiter auch ein Mitmanager dieses Betriebes‘.

In wieweit berühren diese Überlegungen die vorhin erwähnte prinzipielle Unlösbarkeit des analytischen Problems? Nehmen wir die McCulloch’sche Schließung des sensumotorischen Kreises Organismus-Umwelt-Organismus als eine Metapher für die Zirkularität von BetriebGesellschaft-Betrieb, so können die Erkenntnisse über operativ geschlossene Systeme uns als Wegweiser dienen.

Der ideale formale Apparat für solche Kreisprozesse wurde unter dem Namen Rekursive Funktionentheorie am Ende des vorigen Jahrhunderts unter der Führung von Henri Poincaré und David Hilbert entwickelt, und vor etwa zwei Jahrzehnten wieder entdeckt und aufs neue getauft. Man nannte es Chaostheorie. Unter den vielen eindrucksvollen und erstaunlichen Resultaten ist – wie mir scheint – eines im Kontext unseres Themas von besonderer Bedeutung: In einem operativ geschlossenen System wird das Ende einer Operation zum Anfang der nächsten und das Resultat dieser wieder zum Anfang der nächsten usw. In vielen Fällen konvergieren Resultate diese Operationen zu einem stabilen Wert. Früher nannte man diese Werte ‚Eigenwerte‘ einer operativen Funktion. Heute ist der Ausdruck ‚Attraktor‘ Mode geworden.

Dieser Beitrag ist nicht der Ort, um die Behandlung nicht-trivialer Systeme mit Mitteln der Theorie rekursiver Funktionen zu thematisieren. Hier nur in wenigen Worten das paradoxe Fazit dieser Überlegungen: Unter gewissen Umständen lassen sich die Zustände nicht-trivialer Systeme voraussagen, obwohl ihr modus operandi prinzipiell unwissbar bleibt.

Christiane: Aber wie lassen sich diese theoretischen Einsichten in gemeinsame Praxis umsetzen?

Heinz: Der Übergang von der Linearität zur Zirkularität war für mich ein ganz wesentlicher. Zuerst glaubt man, man gewinnt einen Freiheitsgrad: Die Linearität spielt sich ja entlang der Geraden ab, die Zirkularität in der Ebene. Aber bei der Zirkularität müssen eben der Anfang und das Ende zusammen passen, und dadurch ist man gebunden.

Aus dem Vorgehenden glaube ich, ist es ziemlich klar, was diese ‚gewissen Umstände‘ sein müssen, damit man Voraussagen machen kann. Offenbar nicht, wenn man sich außerhalb des Systems postiert, und – wie Helmholtz vorschlug – sich auf das Postament des locus oberservandi setzt. Man muss zu einem Teil des Systems werden, das man beobachten möchte.

Christiane: Das führt uns wieder zu Bateson. Er sah die Welt in Beziehungen. Zentral war für ihn das Muster, das verbindet, „the pattern which connects“.

Heinz: Ja, das war seine Zauberformel: „Welches Muster verbindet den Krebs mit dem Hummer, die Orchidee mit der Primel und alle diese vier mit mir und mich mit Euch ...“4. Aber siehst Du, pattern ist eben nur die eine Seite. Im Englischen geht dieses Wort auf ‚pater‘ zurück – also eine patriarchalische Konzeption. Wie Du weißt, bin ich in einem Matriarchat aufgewachsen. Ich habe daher dem Pattern von Bateson eine Matrix gegenübergestellt, „the matrix which embeds“. Die Matrix steht hier für den Raum, wo die gesamten Relationen aufgehoben werden können.

Christiane: Das verstehe ich noch nicht.

Heinz: Ich versuche Dir zu erklären, was ich meine. Kennst Du die Arbeit von Gotthard Günther? Er hat eine Place Value Logic entwickelt. Die wird durch einen Satz in Wittgensteins Tractatus motiviert: „Die Proposition p und ihre Negation ¬p sprechen über dasselbe“. Du musst Dir das so vorstellen. Da gehen die Revolutionäre auf die Straße und schreien stundenlang: ‚Nieder mit dem König, nieder mit dem König!‘ Eigentlich müsste der König sie nach Hause schicken und jedem fünf Dollar zahlen dafür, dass sie seinen Namen unters Volk gebracht haben. Sie haben die ganze Zeit Propaganda für ihn gemacht. Um überhaupt ‚König‘ zu sagen, brauchst Du den Platz dafür, das zum Thema zu machen. Das zu formalisieren, ist das Anliegen von Gotthard Günther. Die place values sind ‚accept‘ oder ‚reject‘, und es geht darum, ob etwas einen Platz findet.

Man muss Platz schaffen, um über etwas zu sprechen. Das will ich Dir noch an einem anderen Beispiel erklären. Weißt Du, ich habe an der Universität von Illinois Kurse zusammen mit Herbert Brühn gemacht. Diese Arbeit wurde zum Teil im Buch ‚Cybernetics of Cybernetics‘ festgehalten. Die Studenten hatten dabei eine sehr aktive Rolle. Jede Stunde wurde von einem anderen vorbereitet und moderiert. In jeder Stunde wurde ein Thema diskutiert.

Und dabei haben sich Stufen ergeben: Das Thema selbst, zum Beispiel ‚Retina‘ / Warum sprechen wir über das Thema? Warum ‚Retina‘? / Warum sprechen wir überhaupt? Um das zu verdeutlichen, habe ich erfunden, dass der Vortragende sich drei verschiedene kreisrunde Schilder um den Hals hängen konnte: ein grünes, das stand für das Thema selbst, ein rotes, das stand für ‚Warum das Thema?‘ und ein schwarzes für ‚Warum sprechen wir überhaupt?‘. In den 60er Jahren war die dritte Stufe von großer Bedeutung, aber mir geht es jetzt um die zweite.

Christiane: Das ist eng verwandt mit dem, was ich in meinem Papier über Softwareentwicklung den Design-Raum genannt habe. Der Design-Raum entfaltet sich ja erst durch die Bezüge, die wir zum Thema machen, durch Beziehungen, die wir anerkennen und zulassen, und Unterscheidungen, die wir treffen. Der Raum entspricht Deiner Matrix, und das Geflecht, das ihn aufspannt, sind die Unterscheidungen, die wir treffen. Sie bilden das Muster, den pattern von Bateson. Die beiden bedingen einander wechselseitig.

Heinz: Ja genau, das entspricht dieser Figur. Systemik ist für mich nicht primär eine Art zu denken, sondern eine Haltung.

Christiane: Ich sage auch immer gern Haltung, aber manche Menschen stört das. Was meinst Du damit?

Heinz: Ich meine die Absicht, die Sprache so zu benützen, dass immer wieder neue Verbindungen entstehen, Inseln, die den semantischen Raum bereichern, aus denen sich neue Verbindungen ergeben und so weiter. Es ist eine Disziplin: Ich muss ununterbrochen aufpassen, immer so zu sprechen. Dabei spielen auch Bilder und Metaphern eine große Rolle.

Christiane: Nur sprechen? Oder auch handeln? Bedeutet Haltung nicht auch handeln?

Heinz: Ja, aber ich muss so handeln, als ob ich sprechen würde.

Christiane: Ich fühle mich erinnert an das von Foerster’sche Dreieck, das ich anlässlich der Feier Deines 85. Geburtstages in Wien erfunden habe.

Heinz: Ja, das war eine ganz liebe Rede, in der ich mich gut verstanden gefühlt habe. Ich kann mich ja nur selbst verstehen dadurch, dass Du mich erfindest. Bitte erinnere mich noch einmal, was Du mit dem von Foerster’schen Dreieck sagen wolltest.

Christiane: Ich sehe das so, dass sich Dein Ansatz in den Dimensionen Epistemologie, gemeinschaftliche Praxis und Ethik entfaltet. Das Zusammenspiel dieser drei Dimensionen habe ich als von Foerster’sches Dreieck bezeichnet.

Heinz: Ich habe die schriftliche Fassung Deines Vortrags noch nicht gesehen.

Christiane: Nein, deshalb will ich Dir das jetzt einfach noch einmal sagen. Ich beziehe mich auf Dein Papier ‚Über das Konstruieren von Wirklichkeiten‘, das über die Geschlossenheit des Nervensystems und die dadurch implizierten Grundvoraussetzungen der Wahrnehmung handelt. Am Ende skizzierst Du die Folgerungen für die Epistemologie. Und dann setzt Du Dich mit dem Vorwurf des Solipsismus auseinander: Ob der Andere existiert, kann nicht bewiesen werden. Ob ich den Anderen anerkenne oder nicht, ist vielmehr meine Stellungnahme zu einer prinzipiell unentscheidbaren Frage. Du schreibst: „Wenn ich es ablehne, dann bin ich der Mittelpunkt des Universums, meine Wirklichkeit sind meine Träume und meine Alpträume, meine Sprache ist ein Monolog, meine Logik eine Monologik. Wenn ich das Prinzip akzeptiere, kann weder ich noch ein anderer den Mittelpunkt des Universums bilden. Es muss wie im heliozentrischen System etwas Drittes geben, das den zentralen Bezugspunkt bildet. Das ist die Relation zwischen Du und ich, und diese Relation heißt IDENTITÄT:
Wirklichkeit = Gemeinschaft.“

Im Anschluss daran formulierst Du Deinen ästhetischen und Deinen ethischen Imperativ. Besonders letzterer wird viel zitiert, meist aber aus dem Zusammenhang gerissen. Meine Überlegungen dazu, meine Versuche, Dich zu verstehen, sind die folgenden: Identitätsrelation: Wirklichkeit = Gemeinschaft: Es geht weder um Egoismus noch um Altruismus sondern um Dialogik. Darum, wie Du auch schreibst, sich ‚durch die Augen des anderen zu sehen‘. Nicht der Einzelne ist das Grundelement der Wirklichkeit, sondern die Dyade. Ich bin durch Dich auf Martin Buber gestoßen, der argumentiert, es gebe kein Grundwort ‚Ich‘ oder ‚Du‘, sondern nur die Paare ‚Ich-es‘ oder ‚Ich-Du‘10. Im dialogischen Ich-Du wechseln sich Geben und Nehmen ab, übernehmen die Partner abwechselnd die Führung ohne festes hierarchisches Verhältnis. Das Handeln in Gemeinschaften wird dann als Geflecht von Dyaden verstanden, alle werden einbezogen und in Interaktion gebracht, um den jeweiligen Prozess zu tragen.

Ästhetischer Imperativ: Willst Du erkennen, lerne zu handeln: Das, was für uns erkennbar ist, erschließt sich durch unserer Handeln. Für Deinen Artikel hast Du George Spencer Brown’s „Triff eine Unterscheidung!“ – in der Langfassung „Make a distinction and a universe comes into being.“11 – als Motto gewählt. Durch unser Handeln werden Unterscheidungen möglich, eröffnen sich Möglichkeitsräume, die wir zu sehen lernen, ergeben sich Bewertungsgrundlagen, die wir abwägen lernen. Möglichkeiten werden zu Optionen, für oder gegen die wir uns entscheiden können.

Ethischer Imperativ: Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten größer wird. Im Gegensatz zu ‚Du sollst‘-Geboten ist dies kein restriktiver, sondern ein konstruktiver Imperativ, der uns einlädt, in Möglichkeitsräumen zu denken und sie zu entfalten. Für sich genommen, bliebe dieser Imperativ sehr unbestimmt, doch machen die vorangestellten Sätze klar, dass der Bezugsrahmen die Gemeinschaft ist – es geht also um Möglichkeiten für mich und den Anderen – und dass es unsere eigene Verantwortung ist, diese Möglichkeiten sehen zu lernen, indem wir handeln.

Heinz:
Das ist schön.

Christiane: Ich habe im Übrigen längere Zeit die Bedeutung Deines ästhetischen Imperativs unterschätzt. Das hat damit zu tun, dass ich Ästhetik in einem eingeschränkten Sinne verstanden habe. Es geht hier aber um schöpferisches Denken und Urteilen wie bei Kant. Also messe ich jetzt Deinem ästhetischen Imperativ fast die größte Bedeutung zu. Für mich war es wichtig, diese drei Dimensionen im Zusammenhang zu zeigen, weil Dein ethischer Imperativ von manchen missverstanden, ja auf absurde Weise im Gegensatz zu Deinen Absichten ausgelegt wird. Ich habe zum Beispiel einmal eine Kritik gehört, dass nach Deinem Imperativ ein Land, das die Witwenverbrennung zulässt, zu loben ist, weil es dem, der das will, die Möglichkeit zur Witwenverbrennung einräumt. Was würdest Du so einem Menschen sagen?

Heinz: Ich würde ihm sagen: Aha, ich verstehe, Sie wollen also Witwen verbrennen. Sie brauchen ein explizites Verbot, das das ausschließt. Für mich stellt sich die Frage so nicht. Ich will, dass die Ethik implizit bleibt, aber immer da ist. Die Ethik gehört mit der Dialogik zusammen. Das Ich entsteht immer nur aus dem Du. Es gibt keine Identitätskrise, nur eine dialogische Krise.

Christiane: Andere Deiner Kritiker meinen, diese Betonung des Dialogischen ist naiv. Die Welt ist nicht so, sagen sie. Sie ist voller Konfrontation, voller Konflikt. Was sagst Du dazu?

Heinz: Ich sage dazu: Wie ist die Welt? Da gibt es offensichtlich Menschen, die wissen, wie die Welt ist. Das zeigt eben die Wichtigkeit der Sprache. Ich verdanke eine wichtige Erfahrung meinem Freund, dem Psychotherapeuten Moni ElKhaim. Er hat mich einmal zu einem Vortrag eingeladen. Mitten im Vortrag hat er mich plötzlich unterbrochen und gesagt: „Heinz, rede nicht weiter über das. Sag uns lieber, was Du wirklich willst, dann können wir darüber reden.“ Da war ich ganz unvorbereitet und sagte: „Ich möchte lernen, meine Sprache so zu beherrschen, dass Ethik immer implizit ist“.

Man muss sich entscheiden, ein Teil der Welt zu sein, einzugreifen, ja, das Geschehen der Welt mitzugestalten, von der man selbst ein Teil ist. Gibt es Gründe, die einen zwingen, sich zu entscheiden, ob man wie durch ein Guckloch die Welt beschaut, wie sie an einem vorüberzieht, oder ob man sich als Teil der Welt erklärt, der sie mit jeder eigenen Handlung verändert? Nein, es gibt keine solchen Gründe. Die Frage ist, wie beim analytischen Problem, prinzipiell unentscheidbar. Diese Freiheit bringt aber auch die Verantwortung mit sich, wenn wir uns fürs eine oder andere entscheiden. Wir können auf niemanden und auf nichts zeigen, das uns veranlasst haben könnte, so oder so zu handeln. Sicherlich können wir auf einen Zuruf: ‚Du sollst‘ oder ‚Du sollst nicht‘ folgen, aber das ist wiederum unsere Entscheidung.

Hier höre ich wieder Wittgenstein in seinem Tractatus, Proposition 6.422, sprechen: „Der erste Gedanke bei der Aufstellung eines ethischen Gesetzes von der Form: ‚Du sollst ...‘ ist: Und was dann, wenn ich es nicht tue?“ Und er setzt fort: „Es ist aber klar, dass die Ethik nichts mit Strafe oder Lohn im gewöhnlichen Sinne zu tun hat.“ und weiter unten: „Es muss zwar eine Art von ethischem Lohn und ethischer Strafe geben, aber diese müssen in der Handlung selbst liegen.“ Um Ethik nicht ins Moralisieren abrutschen zu lassen, wo immer zum anderen gesagt wird, wie er handeln soll – ‚Du sollst‘, ‚Du sollst nicht‘ – beginnt er die Diskussion mit der Proposition 6.421: „Es ist klar, dass sich die Ethik nicht aussprechen lässt“. In der Ethik handelt es sich ja um ‚ich soll‘, ‚ich soll nicht‘.

Christiane: Ich verstehe. Die Haltung, von der Du sprichst, kannst Du selbst einnehmen, andere kannst Du dazu nur einladen. Lassen wir uns darauf ein, so ermöglicht sie uns, eine Matrix zu schaffen, in der sich die Dialogik entfalten kann und in der wir Muster, Beziehungen, Zusammenhänge sehen lernen. Dadurch verändert sich nicht nur unser Selbstverständnis, es ergeben sich auch neue Grundbedingungen für unsere Zusammenarbeit.

 

Nachbemerkung

Das hier veröffentlichte Material geht auf das Jahr 1998 zurück. Damals planten Heinz von Foerster und ich ein dialogisches Papier über ‚Wirklichkeit als Zusammenarbeit‘, in dem er über ‚Grundlagen der Systemik‘ schreiben wollte und ich über die ‚Leitgedanken für Zusammenarbeit‘, die ich inspiriert von seinen Denkansätzen entwickelt habe. Dazu führten wir im März zunächst ein initiales Gespräch in Pescadero, das ich bald nach meiner Rückkehr nach Hamburg aufschreiben und mit ihm abstimmen konnte. Wegen der großen Distanz zwischen uns haben wir uns dann entschieden, die Substanz unseres jeweiligen Beitrags getrennt auszuarbeiten und die Texte nachträglich zusammenzufügen. Bereits im April hat er seinen Teil geliefert. Gerade dann begann ich mich jedoch für die Internationale Frauenuniversität zu engagieren, die mir über mehrere Jahre hinweg einen außerordentlich hohen Arbeitseinsatz abverlangte. Zu meinem großen Bedauern musste ich die Weiterarbeit an unserem geplanten Papier zurückstellen, dass mir die Fertigstellung vor seinem Tode nicht gelungen ist, tut mir zutiefst Leid.

So liegen mir seit fast fünf Jahren die schriftliche Fassung unseres Initialgesprächs sowie Tonbandaufzeichnungen und vollständig ausgearbeitete handschriftliche Skizzen von Heinz vor. Nun ergibt sich die Gelegenheit, im Gedenken an ihn wenigstens dieses Material zu veröffentlichen allerdings ohne den Text mit ihm abstimmen zu können. Ich habe mich entschlossen, seine vertiefenden Ausführungen in unser Initialgespräch zu integrieren. Dabei habe ich die von ihm geschriebenen Beiträge nicht verändert, sondern nur leicht gestrafft, und meine Beiträge entsprechend angepasst. Die Einführung war noch zwischen uns abgestimmt.

Wenn auch alles, was hier zum Thema gemacht wird, an der einen oder anderen Stelle im Spätwerk Heinz von Foerster’s publiziert wurde, so ist dies doch eine spezifische Zusammenschau, in der verschiedene Aspekte integriert sind. Um es in seinen Worten zu sagen: Wir haben eine Matrix geschaffen, einen Platz, um über Systemik zu sprechen und dabei das Muster, die Verbindungen zwischen Epistemologie, Dialogik und Ethik, die für sein Denken grundlegend waren, nachgezeichnet.

Christiane Floyd
Hamburg, Mai 2003

 

Manuskript zum gleichnamigen Beitrag in:Bernhard von Mutius (Hg.),: Die andere Intelligenz – Wie wir morgen denken werden. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, S. 57-74.

 

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